- Momentaufnahmen eines besonderen Autoren
von Alfred Büngen
Norbert Sternmut - ein Szenarium lyrischer Sprache (Karl Heinz Schreiber)
Eine treffendere, positiv-wohlmeinendere Kurzbeschreibung hätte wohl niemand abgeben können. K.H, Schreiber, ja selber ausgewiesener literarischer Könner, ehrt hier einen Kollegen, der zweifelsohne zu den wenigen bedeutsamen, dauerhaften Autoren auf dem literarischen Markt der 80er und 90er Jahre gerechnet werden muß, einen Autoren, der in Lyrik, Dramatik und Prosa gleichermaßen beheimatet ist.
Es ist im Rahmen eines kurzen Überblicks unmöglich, die Komplexität eines Autors Sternmut zu analysieren, seine Arbeiten vorzustellen. Ob Lyrik oder Kurzprosa ob Kriminalroman oder dramatischer Text, die Komplexität seiner Arbeiten ist beträchtlich, inhaltlich und formal. Nach meiner Zählung, er möge mir die Unvollständigkeit verzeihen, sind es in der Zwischenzeit zwölf Einzeltitel.
Nun ist die Volksfest keine Literaturgeschichte, die versucht, Autoren in der Breite ihres Werkes zu analysieren. Doch seien einige kleine Ansätze zu Norbert Sternmut gewagt. Sei ein erster Zugang auf der formalen Ebene unternommen. Sternmut ist, zeichnet dies jedes seiner Werke aus, ein literarischer Perfektionist seine Arbeiten Prosa und Lyrik gleichermaßen sind bis zur letzten Silbe durchgearbeitet, eben professionell. Hier kann mancher Autor über Metrik und anderes literarisches Handwerk lernen.
Diese formale Genauigkeit macht ihn natürlich nicht bei allen Kritikern beliebt, setzt ihn bei einigen in den Verdacht, keine Neuerungen im literarischen Feld anzustreben. Kritiker, die nicht begreifen, dass elementare Bauteile der Lyrik nicht durch formale, inhaltslose Experimente ersetzbar sind, die nicht begreifen wollen, welche inhaltliche Kraft Lyrik gerade aus handwerklicher genauer Arbeit erzielen kann, die nicht in der Lage sind, die an Celan und anderen Größen geschulte Meisterhaftigkeit der Sternmut-Lyrik zu erkennen.
Sternmuts Sprache ist am treffendsten mit dem Begriff der poetischen Originalität zu definieren. Alltägliche Sprachlichkeit wird durch Verknappung und Konzentration sowie kreativer Verknüpfung in eine neue Bildlichkeit überführt. Niemals begeht er dabei den elementaren Fehler, Sprache zum sich selbst genügenden Sprachspiel verkommen zu lassen. Sprache formuliert bei Sternmut stets die literarische Absicht, ohne dass die Absicht die faszinierend kühle Poesie seiner Dichtung überlagert. Hier kann Lyrik in ihrer grundsätzlichsten Form entdeckt werden. Sprache entfaltet aus sich heraus eine Absicht, die, werden wir dies im weiteren noch betrachten, weit über die inhaltliche Möglichkeit hinausgeht.
Die Lyrik scheint ihm dabei ein ideales Schulungsfeld gewesen zu sein, die späteren Prosaarbeiten, der Kriminalroman nach wie vor (siehe Volksfest 3) eines der besten Bücher in letzten Zeiträumen profitieren davon. Exakte Formulierungen, einfache Sprache, die sich bei jeder nur denkbaren Möglichkeit poetisiert, ohne je der Gefahr romantischer Verspieltheit oder überfrachteter Bildhaftigkeit zu erliegen.
Nein, hier schreibt kein Schwärmer, keine literarische Eintagsfliege, hier schreibt ein Könner seines Faches, dem die Tradition seines Handwerks nicht fremd ist. Prosa und Lyrik sind in keinem seiner Bücher mit rascher Oberflächlichkeit zu konsumieren. Hier, geht es - und dies in jeder seiner Arbeiten um Grundsätzliches, nicht um gesellschaftliche Alltäglichkeiten, die nur Anlaß des Schreibens sind. Die Absurdität alltäglicher Erscheinungen menschlichen Daseins werden skizziert und ständig der Frage zugeführt, ob sie noch in einen Sinn menschlichen Daseins integriert werden können. Die grundlegende humanistische Sinnkonstruktion bleibt dabei mehr ein Ahnen, ein fließender Prozess zwischen Streben nach humanem Idealzustand und Negation destruktiver Wirklichkeit. Gerade die ersten Lyrikarbeiten zeigen uns deutlich diesen Prozess der Suche, den Prozess auch einer Selbstfindung.
Nein, Sternmut findet keine gesellschaftlichen Antworten, würde auch niemals vorgeben, sie zu haben. Dichtung ist ein Prozess der Unterstützung der Suche nach Antworten durch den Leser. Deutlich sein Versuch des Kriminalromans, den Leser selbst aus seiner emotionalen Bindung an das Werk zu lösen, ihn als Produkt der schriftstellerischen Phantasie zu entlarven. Sternmut lässt sogar den Autor durch die Fiktion töten. Radikale und unbequeme Sichtweisen, die einen Autoren nicht beliebt machen in der Literaturkritik. "Gut ist, was Einschaltquoten erreicht. Die Zeit der Ethik ist vorbei, der moralischen Philosophie. Dies geht weiter als die frühen Antworten einer literarischen Suche. Wenn die Suche nach Sinn nicht mehr individuelle menschliche Triebkraft ist, bleibt der Literatur nur das individuell gesellschaftliche Scheitern auch in der Literatur aufzuzeigen. Fiktionale Desillusionierung als literarische Aufgabe? Der Verlust der Poesie? Es wird spannend sein, in den nächsten Jahren die literarischen Antworten Sternmuts zu lesen
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