8 aus „88 Rätseln zur Unendlichkeit“ (2004)
STRICKMUSTER DES RADFAHRERS
Auf der Unendlichkeitsschlaufe
Fährt ab auf die Jahrhunderte,
Verbrennt nichts,
Sagt nichts, fährt dahin
Der Strickmuster. Der Fahrer fährt,
Vergiftet nichts, spaltet keine Atome,
Wirft keine Bomben ab,
Gibt keinen Kommentar,
Bekommt keinen goldenen Löwen,
Hört keine Nachrichten,
TANZ
Tanz von Fischen und langen
Geschichten,
Die nicht sprachlos enden,
Der Liebe der Strohhalme,
Hirnstaub an Wände geblasen,
Besungen das Blutgerinnsel,
Den Morgenstern, poetisch
Den Schlagschatten,
Ach, die Männer, Frauen,
Taucher, Schwimmer.
Abgedeckt Gefühl, Herbst,
Schlaflose Nacht, Aqua,
Nichts (als Sch…)
Neues,
Als leere Worte,
(Der Schwimmer). Keine Beziehung
In zwei flachen Rechtecken,
Tägliche Übungen
Made in Deutschland.
Vakuum geatmet,
Die Fruchtblase ich.
Das eingemachte Lächeln,
Unzählige Stimme,
Den Schrei,
Wer hörte ihn?
(Der Schwimmer) Ausblicke
Durch Klobrillen,
Zumindest jetzt
Nicht untergehn,
Hirngespinst.
Aus der Zeit gebrochene
Augenblicke,
Ohne Bruchstelle,
Was verbleibt?
MELANCHOLIA
Waren mit gereifter Furche
Auf langsamem Feld,
Dem Wort: Abschied, bewegt
Wie Sichel und Blatt. Und du Name?
Agnes Dürer? In den Katakomben?
Bildhaft, ein Satz: wir,
Eins mit dem Zweifel der Graswurzel,
Dem Nachtschatten, heben an
Ins Fragment,
Bleiben mit den Stimmen,
Den Strichen, Sträuchern
Eingezäunt ins Endstück,
Nannten niemand,
Gingen vorüber,
Ungesagt, das Lippenbekenntnis
Nicht länger ungefüllt
Trat an gegen den Zeiger,
Stieß über die Klippe,
Das Faltenreich des Schlauchs,
Die Grotte.
Allein die Flocke,
Die sich Schnee nennt, ein Endkristall,
Wünscht sich keine
Wärmende Hand.
DER BILLARDSPIELER
Bill, du weißt nichts, nicht,
Was gespielt wird, hältst
Den Stab in der Hand, fällst
Ins nächste Loch,
Ziehst dem Fremdgang
Den Schuh an, weißt nicht,
Wer du bist, Bill,
Gehst fremd zu Lebzeiten,
Willst leuchten,
Diese Schläge lang,
Welcher Stern über dir?
Ziehst Lippen gegen Lippen, spielst
Mit den Gefühlen, ziehst dich
Aus der Verantwortung.
Schon steigt die Luftblase auf,
Die Sterblichkeit,
Als Zeichen die Bewegungen
Des Stabes mit der Lederkuppe,
Bill, bleibst zuletzt nach vorn
Ins Nichts geschrieben, schweigst
Ungereimt ein Ende.
FLIEGENPARADE
Von 15 und mehr Fliegen.
Fliegen wandern
Wie die Fliegen,
Einfache Stubenfliegen,
Mit kurzen Fühlern
Im Unterschied zu den Mücken,
Fliegen wie die Fliegen.
(Die Larven der Fliegen,
Wie die Maden,
Sind beinlos, leben
In Holz, Früchten, Abfällen,
Sind Räuber, Schmarotzer,
Entwickeln sich
Noch im Wasser…)
Die Fliegen besuchen Blüten,
Saugen Säfte oder Blut,
Treten leicht in Schwärmen auf,
Sind ohne Zahl und Namen,
Vermehren sich
Wie die Fliegen,
Sterben
Wie die Fliegen.
Aus „SPRACHSCHATTEN“ (1989)
LOGOS
Im Prinzip: Gingen. Waren. Sind.
Sprachen davon den Heuschrecken,
Ameisen, dem aufkommenden Abschied,
Denkmal! Krebs und Stier
Offen mit dem Gitterstab
Zwischen den Lippen, der Anatomie.
Uferleicht, gewiß den Falten, den Mündern,
Den sieben Ringen der Tage,
Das nicht zu sprechende
Leicht, selbstbewusst besetzt, unsagbar
Die Falte,
Wendet sich ab, deutet darauf
Auf Buchstabe und Zahl,
Ins einsame Gewimmel. Wir wollen sprechen!
Ins gemeine Grün, das verständliche All
Trägt es in sich, Mikro und Makro,
Eine Namensgebung, wurdest du,
Jeder sagt es, schreibt die Ziffer.
Sah deine Lippe, kam, kam. Sprach`s
Den Widdern und Fischen, dem Wortgrün,
Der Lippe besetzt mit Formel und Norm.
Angesprochen beim Sternbild tropft
Unsagbares zwischen den Gittern,
Deutet darauf, sprachlos, wir sagen es.
NACHTFLUG
Aus „LICHTPAUSEN“ (1994)
LICHTPAUSEN
1) Der alleine irrt durch die Hundsnacht…
(Willst gehoben sein, auftauchen
In den Schoß mit blauen Himmeln
Und nicht geschunden…)
Du Kind,
Das die Mutter verfehlte, du fällst
Nicht aus dunklen Röhren,
Herein,
Heraus in kalte Schächte,
Schweigst noch in der Stunde
Aller Begierde, bist nicht, warst nicht,
Kamst nicht. Wir aber kamen.
2) Und wer dem Sternkalb zuruft,
Die verlassenen SchafeAus „TRIEBWERK“ (2005)
ENTWUZELT IM GESCHAUTEN
Du liebtest mich im blinden Schilf,
Entblößtest mir den sommerlichen Schoß,
Brachst mir von der Wolke ein kleines Stück,
Warst mir offen, blühtest wie eine Blumenbrücke
Schlugst dich vor mir auf und ich ging
Über dich, in die Schlucht aus zeitlosen Algen,
Die mir dein Sternbild bot, du liebtest mich,
Kämmtest mir die Lichtspange ins Haar,
Tiefer, nahmst meine Stimme in deinen Mund,
Nahmst, was ich hörte in dein Ohr, nahmst
Meine Wurzel an deinen Brunnen,
Nahmst mich, purpurrot, nahmst mich
Wie Sonne, Mond und Sterne, feuchter nur
In dein Rätsel, warst so still und hast geredet…
Warst…und trankst aus dem Becher
Dieser Nacht, das, was sich verschüttet, später,
Wenn die Bilder unklar werden,
Die Wolken brechen, langsam, Wort für Wort,
Nacht für Nacht, wenn es Gedächtnis wird,
Was uns trieb, wenn es endlich ganz versandet…
HAUT, MILCH
Haben den Tag gesät,
Die Nacht geerntet,
Tranken die Milch
Und den Wein,
Tranken die Tränen
Von unseren Augen,
Tranken und tranken.
Nahmen den Wind
Aus den Segeln, der Sturm
Packte uns, flocht uns
Die Sehnsucht ins Haar.
(Haben Blut geleckt…
Das Seelenfenster geöffnet,
Die Kastanie
Von der Erde genommen…
Die Kastanie,
Jenseits der Welt…)
DIESES BLAU
Der blaue Stein. Lapislazuli.
Blutet blau: das Schöpferische.
Sei gegrüßt, Holunder,
Der Ozean geht auf,
Das Auge, blau der Himmel
Der Erde des Todes,
Vereint die Menschen,
Wasser und Himmelsfarbe,
Ultramarin, frei
Von Sklaverei im Blau der Stunden,
In Mode: Sonnenblau,
Aus „SEELENMASCHINE“ (2006)
MORGENLUFT ( Herr Krolow)
Wittern. Das Getriebe, geölt,
Die Stunde hat ihren leichten Schlag.
Tauben gurren, langsam wachsen
Erdbeeren und Kirschen, darüber
Ist gerade mal wieder nichts los…
Nichts zeigt der Zeigefinger, nichts
Brennt sich ab, nichts läutet Sturm…
(Ein Gedicht legt nichts nahe…das Laub
Für den Herbst wuchs bereits leise
Wartet die Wahrheit auf Erlösung…)
Draußen schaut sich jemand
Die Landschaft an…grün und blau,
Mit Wolkenhimmel, oben, gut sortiert
Wird das Auge in die Irre geführt.
(Das könnte so bleiben…Herr Krolow,
Zuversichtlich ohne Schwierigkeiten…)
Wir müssen nicht lange überlegen,
Was uns zustoßen könnte, weiterhin…
Aus „FADENWÜRDE“
(Erscheint im Pop-Verlag Ludwigsburg 2008/09)
VATER, DER DU WARST
Die Münze fiel ohne dich Das Land
Durch mich hindurch aus der Bahn
Blühte die Giftspur des Seins
Vater? Schläfst du
Im toten Gewölk? Der Gehirnspur
Dem Seelenfortsatz
Aus Kindheit Kirschbaum
Möglichkeit ich behaupte niemand
Nichts in geliebten Frauen falle durch
Mich selbst hindurch schwimme im Steinwasser
Der Sprachverhärtung, schreibe täglich:
Löscht mein Name den Luftknoten,
Erneut, verwundet mich nichts, Vater,
Der du warst, gegen die Silberdistel,
Die furchtlosen Worte, die Steinfratzen,
Ich nahm sie mir aus den Sternen,
Flocht mir den Mut aus dem Müll,
Vater, nichts halte ich dir entgegen
Nicht werfe ich vor mit leeren Händen
Nichts wurde Land Sprache Luft
Bewegt die Aschenträne Teufelsbahn
Die Worte: herrlich, Vater,
Ich nahm sie mir aus den Lüften.